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Licht ins Dunkle – Dr. Albert Groeneveld, Fachbereichleiter „Tiere und Lebensmittel“ im Kreis Borken

24. Februar 2019

Dr. Albert Groeneveld ist von Natur aus pragmatisch. Und ebenso konzipierte er das „Borkener Risikomodell“ für Schweine haltende Betriebe. Es hilft dem Amtsveterinär, unter der Vielzahl von Höfen vorrangig die auszuwählen, die im laufenden Jahr in die amtliche Routinekontrolle fallen sollen. Dabei stützt sich der Fachbereichsleiter „Tiere und Lebensmittel“ seit 2011 auf QS-Daten. Sie ermöglichen eine risikoorientierte Bewertung im Vorfeld – und bringen erstes Licht ins Dunkle. „Zum Hofe“ wollte mehr wissen und hat sich in den Kreis Borken aufgemacht.

1.674 Schweine haltende Betriebe gibt es im Kreis Borken. „Die Besuchsquote bei ihnen beträgt zehn Prozent“, sagt Dr. Albert Groeneveld, der 45 Voll- und Teilzeitkräften vorsteht, darunter 20 Tierärzte. Eine Besuchsquote von zehn Prozent, das ist vergleichsweise gut. Sie bedeutet aber auch, dass ein Betrieb durchschnittlich nur alle zehn Jahre amtlichen Kontrollbesuch erhält und die Risikobeurteilung im Vorfeld daher effektiv ausfallen muss. „Wenn wir nach einem Termin sagen: ‚Mensch, das ist aber ein toller Hof‘, dann ist das für uns Amtsveterinäre eigentlich ein Misserfolg“, überlegt Groeneveld selbstkritisch. „Ich habe dem Landwirt Zeit geraubt und ein anderer Betrieb, dessen Tiere es nötiger gehabt hätten, ist nicht aufgefallen.“ Genau deshalb wünschte er sich eine verbesserte Höfeauswahl im Vorfeld. „Zumal eine fundierte Risikobasis auch die Verwaltungsvorschrift vorsieht.“

Dr. Albert Groeneveld (oben) im amtlichen Kontrolleinsatz: heute auf dem Betrieb von Heinrich Emming, der Schweine und auch Rinder hält.

Anders als etwa bei Restaurants, die mit durchschnittlich 1,5 Amtsbesuchen pro Jahr rechnen müssen, bestimmt diese für landwirtschaftliche Betriebe keine festen Kontrollzeiträume. Eine risikoorientierte Datenbasis für die Landwirtschaft musste also anderswo gefunden werden. Aber wo? Und mit welchem Aufwand? „Es kann ja nicht sein, dass ich für meine Risikobeurteilung bis zum Herbst brauche“, so der gebürtige Ostfriese, der 1994 ins Münsterland kam, beim Kreis Borken anfing und seit 2004 den Fachbereich „Tiere und Lebensmittel“ leitet. Genug Berufsjahre, um zu wissen: „Ich will am 5. Januar meine Höfeliste beisammenhaben!“ So weit also die Gemengelage.

Es waren schließlich einzelne Sätze, die Landwirte eher nebenbei fallen ließen, Groeneveld aber auf eine Idee brachten: „Muss die Kontrolle gerade jetzt sein“, moserte hier ein Tierhalter, „letzte Woche hatten wir schon das QS-Audit.“ „Ich weiß, alles okay bei uns, hat QS auch gesagt“, befand da ein anderer. Wäre es nicht ein guter Ansatz, die ohnehin vorhandenen Auditergebnisse aus der Wirtschaft heranzuziehen? „90 Prozent aller Borkener Schweinehalter sind damit abgedeckt“, hebt der Kreis veterinär an. „Ich kann mir für meine Risiko beurteilung ja alles Mögliche wünschen. Womit ich aber arbeiten kann, sind aktuelle, verfügbare und sinnvolle Daten – und die hat nun einmal QS.“

Gesagt, getan. Groeneveld machte sich ans Werk, nahm Kontakt mit QS und der örtlichen Bauernschaft auf. Überall gingen die Daumen hoch. Um den Datenschutz seitens QS zu wahren und die Auditergebnisse der Landwirte zu schützen, wurden sämtliche QS-Betriebe um ihr Einverständnis gebeten. 80 Prozent der Landwirte im Kreis erklärten sich schriftlich mit der Einsicht der Behörde in die QS-Datenbank einverstanden. Die Aussicht, einen zeitintensiven Kontroll-besuch weniger auf dem Hof zu haben, überzeugte viele Tierhalter auf Anhieb.

Wer allerdings kritisch die Stirn runzelte, waren die Amtsveterinäre anderer Kreise. „QS ist zwar eine Organisation der Wirtschaft, aber neutral. Unsere Tierärzte unterscheiden sich von QS-Auditoren, aber die Ergebnisse sind vergleichbar“, fasst Groeneveld die zentralen Diskussionspunkte zusammen. Dabei interessieren ihn bei seiner Risikobeurteilung weder die vergebene Punktzahl noch die einzelnen Details eines Audit berichts, die er sich grundsätzlich aus der QS-Datenbank heranziehen könnte. Nein, er schätzt die puren Auditergebnisse, die er, alle Jahre wieder, aufgelistet von QS erhält. „Liegt hier ein Hof unter den besten im Kreisgebiet, können auch wir Amtstierärzte annehmen, dass alles in Ordnung ist“, sagt er nach mittlerweile sieben Jahren der angewandten Praxis. „Und andersherum: Wer bei QS auffällt, der fällt auch bei uns auf.“ Das reicht ihm, um sich in seiner Risikobeurteilung orientieren zu können und zehn Prozent seiner Schweinehalter auf die Besuchsliste zu setzen. Er nennt das „Prinzip Kartoffelrüttelmaschine.” Alles Weitere bliebe ja ohnehin in der behördlichen Gewalt.

Andere Veterinärämter – etwa in Coesfeld, Osnabrück oder Leer – sehen das ebenso. Sie ließen sich von dem Borkener Risikomodell, das 2011 startete, inspirieren und nutzen ebenfalls die QS-Auditergebnisse, um auch ihre Risikobasis zu ermitteln. Zukünftig könnten weitere Kreise folgen, denn bis Dezember 2019 muss die neue „Europäische Verordnung über amtliche Kontrollen“ umgesetzt sein. Sie möchte nicht nur die gesamte Agrar- und Lebensmittelkette vereinheitlichen, sondern auch die Risikoeinschätzung auf eine möglichst breite Informationsbasis stellen. „Auf die Eigen-und Qualitätskontrollen der privaten Wirtschaft verweist die neue Kontroll-VO explizit“, ergänzt Groeneveld.

Für ihre Doktorarbeit an der Tierärztlichen Hochschule Hannover schaute sich Dr. Sophia Ebbing 98 landwirtschaftliche Betriebe im Kreis-gebiet Borken an. Sie verglich amtliche Kontrollergebnisse mit den jeweiligen QS-Audits. Die Trends sind vergleichbar (Auswertung aus dem Jahr 2013).

Seit dem ersten Aufeinanderzugehen entwickelte sich zwischen ihm und QS ein lockerer, aber kontinuierlicher und konstruktiver Gedankenaustausch. Beispiel: Überarbeitung der QS-Checkl iste. „Wir konnten immer wieder Anstöße geben und so die Verwaltungssicht einfließen lassen“, be-richtet der Amtstierarzt, der heute beratend im QS-Kuratorium sitzt. Ein gemeinsames Projekt, eine EU-geförderte „Publicprivate Partnership“ zwischen Kreis und QS, entwickelte sich zudem 2013 im Zuge einer Doktorarbeit an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und unter Beteiligung der Tier seuchenkasse. Das Projektthema: Biosicherheit. Mit ein geschleppten Seuchenerregern sammelten die Borkener notgedrungen Erfahrungen: 2006 schlug im Kreisgebiet die Schweinepest zu. Bei drei Betrieben kam es zu Ausbrüchen, bei 150 Höfen in ihrem Umfeld mussten 100.000 Schweine gekeult werden. Turbulente Zeiten. Jahre später konnten die gewonnenen Erkenntnisse aus der Tierseuchenbekämpfung jedoch in einen speziellen Biosicherheitsindex einfließen, der auf Grundlage aktueller QS-Audits und der dort überprüften Hygiene- und Tierschutzmaßnahmen erhoben wird.

Die langsam wachsende Hähnchen-Rasse Hubbard findet zunehmend Liebhaber in den Niederlanden. 20 Prozent der Borkener Mastbetriebe haben bereits umgestellt. „Wir sehen die Bestände bei jedem Durchgang und sie gefallen uns richtig gut“, sagt der Kreisveterinär.

Das Borkener Risikomodell zieht heute – neben den QS-Daten – auch die Ergebnisse des amtlichen Antibiotikamonitorings heran. „Wer in den vergangenen vier Halbjahren im letzten Viertel landete, der kommt bei uns auf die Liste“, entscheidet Groeneveld pragmatisch. „Wenn ein Betrieb mehrfach hintereinander auffällt, dann hat das meistens auch seinen Grund.“ Um seine Risikobewertung noch stärker abzusichern, wünscht er jetzt „nur noch eine aussagekräftige Mortalitätsrate und natürlich den Tiergesundheitsindex“. Trotz allem Tatendrang, Groenevelds aktuellstes Lieblingsthema hat mit Schweinen nichts zu tun. Es heißt Hubbard und meint eine Hähnchen-Rasse, auf die rund 20 Prozent seiner örtlichen Mastbestände umgestellt haben. Denn nach Hubbard verlangen die Supermärkte in den nahen Niederlanden. „95 Prozent des Geflügels, die im Kreis gemästet werden, gehen über die niederländische Grenze“, erklärt der Amtsveterinär. Hubbard wächst langsamer und lebt bis zur Schlachtung zehn Tage länger als die üblichen Rassen, zudem brauchen die Tiere mehr Platz im Stall. „Außerdem gelten sie als agil – und das stimmt. „Wir sehen die Bestände bei jedem Durchgang und sie gefallen uns richtig gut.“

Was aber gefällt den Holländern so gut an Hubbard? „Ihre Supermarktketten richten ihren Einkauf zunehmend auf Tierwohl aus“, freut sich Groeneveld. „Jetzt kostet das Brustfilet statt 6 Euro ganze 8,50 Euro. Das günstige Fleisch ist komplett aus den Regalen verschwunden.“ Aus Sicht des Kreisveterinärs der richtige Weg, um in Sachen Tierwohl voranzukommen. Denn ließe man dem Verbraucher die Wahl und gebe ihm keine weiteren Informationen, greife er ohnehin zum Billigsten. „Das ist ein antrainierter Reflex.“

Quelle: “Zum Hofe” (2/2017) – Hier ansehen und herunterladen

Aus dem QS-System, Gastbeiträge und Reportagen, Landwirtschaft

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