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Medienarbeit mit dickem Fell – Tierärztin, Sauenhalterin, aktive Bloggerin: Nadine Henke

13. Januar 2019

Begeisterte Sauenhalterin, Tierärztin und leidenschaftliche Bloggerin. Das ist Nadine Henke. Zusammen mit ihrem Ehemann und zehn Mitarbeitern betreibt sie einen Betrieb mit 1.250 Zuchtsauen, Tendenz steigend. „Zum Hofe“ hat die „Brokser Sauen“ im niedersächsischen Bruchhausen-Vilsen besucht. Und ein Energiebündel angetroffen.

Es ist ein Anliegen, das Nadine Henke antreibt: „Wir möchten gerne zeigen, dass konventionelle Schweinehaltung tiergerecht ist.“ So schlicht, eigentlich so selbstverständlich – und doch so angreifbar in diesen Zeiten. „Umfragen zeigen immer wieder, wie viel Ansehen und Vertrauen Landwirte in der Bevölkerung besitzen. Das müssen wir für uns nutzen“, sagt die 37-Jährige. „Außerdem haben wir Tiere. Über sie fühlen sich viele Menschen direkt und positiv angesprochen.“ Viel von ihr, ihrer Familie, ihren Sauen und Ferkeln ist seit 2013 auf Facebook zu sehen, wo Henke unter „Brokser Sauen“, dem Betriebsnamen, eine eigene Seite betreibt; über 4.500 User folgen ihr. Zudem ist die Tierärztin in der Foto-Community Instagram und auf dem Kurznachrichten-Portal Twitter aktiv. „Das mag auch mein Mann. Er setzt mittlerweile mehr Tweets ab als ich“, erzählt sie. Und schiebt verschmitzt nach: „Twitter ist überhaupt etwas für Männer. Maximal 140 Zeichen pro Nachricht – welche Frau kann sich denn so kurz fassen?“

Nadine Henke und ihr Ehemann Heinrich sind ein starkes Team: daheim im Sauen-stall und weltweit auf fast allen Social-Media-Kanälen.

Wer Henke länger zuhört, wie sie mit blitzenden Augen über ihre Social-Media-Erfahrungen erzählt, der weiß, das Ganze macht ihr große Freude. „Wenn ich nur bedenke“, berichtet sie lebenslustig, „wen ich darüber schon alles kennengelernt habe.“ Zum Beispiel drei Landwirte aus Mecklenburg-Vorpommern, deren Höfe sie im Sommer mit ihrem Ehemann besuchte. Frisch inspiriert kam das Paar zurück in den eigenen Betrieb. Der besteht aus einer Anlage in Bruchhausen-Vilsen, in dem sie 1.250 Sauen mit einer letztjährigen Jahresproduktion von 40.000 Ferkeln halten, und einer zweiten in Visbek. Bislang standen hier 700 weitere Sauen, da Henkes aber aufstocken möchten und auf die Baugenehmigung warten, ruht der Stall aktuell.

Währenddessen trieb es Nadine Henke weiter in die Welt: Gerade kommt sie aus den USA zurück. Gemeinsam mit vier deutschen Social-Media-Kollegen besuchte sie Farmer, die wie sie bloggen.„Letztlich machen wir alle die gleichen Erfahrungen, auch die Amis kennen medial aufgepuschte Skandale und kämpfen mit selbsternannten Tierrechtlern“, fasst sie zusammen. „Insgesamt ist die Agrar-Chat-Gemeinschaft dort aber zwei, drei Jahre weiter als wir.“ Inwiefern? Jetzt beginnt die Niedersächsin zu strahlen und berichtet von einzelnen Landwirten und deren Ehepartnern, die sehr sympathisch und ebenso persönlich für ihre Blogs stehen:„Sie geben der Landwirtschaft ein lebendiges Gesicht.“ Auch sei das Vertrauensverhältnis zwischen Farmer und Verbraucher in den USA größer und es gebe eine feste Allianz zwischen Agrar- und Food-Bloggern.

Ähnliches möchte sie nun in Deutschland aufbauen und dabei auch die Branchen integrieren, die der Landwirtschaft vorund nachgelagert sind. „Die Amerikaner unterhalten einen gemeinsamen Finanztopf, mit dem sie aktive Blogger unterstützen.“ Etwa dann, wenn Reise- und Übernachtungskosten anfallen oder wenn ein Betriebshelfer notwendig wird, damit ein externer Termin überhaupt wahrgenommen werden kann. „Wir werden zu vielen Veranstaltungen eingeladen, als Referenten, als Gesprächspartner. Bislang machen wir das im reinen Ehrenamt.“ Auf die Dauer sei der Aufwand aber zu hoch. „Außerdem“, so schiebt Henke nach, „wollen wir noch viel mehr Leute aktivieren und können ja nicht erwarten, dass alle alles umsonst machen.“

Wie viele Tierhalter sich bereits online engagieren, zeigt allein die Website frag-den-landwirt.com, die seit 2014 existiert und auch bei Facebook zu finden ist. Hinter ihr steht eine Gruppe von rund 900 Mitgliedern. Auch Henke ist in verantwortlicher Rolle mit von der Partie. Dass ein stabiles Netzwerk aus Gleichgesinnten Sinn macht, davon kann sie ein Lied singen. Denn trotz aller positiven Erfahrungen, rosig ist das Blogger-Leben nicht: „Kaum steckst du den Kopf raus, schon gibt es Feuer“, sagt sie knapp. Und erzählt dann von einer jungen Milchbäuerin, die innerhalb von zwei Stunden mit 1.700 Negativ-Kommentaren auf ihrer Facebook-Seite bombardiert wurde.„Tieraktivisten verabreden sich immer wieder, um die Seiten von Landwirten zu zerschießen. Eine Bösartigkeit nach der anderen. Wenn du in so einem Shitstorm allein bist, brichst du zusammen.“ Die betroffene Landwirtin jedoch setzte einen Hilferuf in die Gruppe ab. Neben Trost und Zuspruch halfen Erfahrungsaustausch und ganz praktische Hilfe. „Manchmal genügt es schon, wenn ein anderer auf gemeine Kommentare reagiert, weil du selbst keine Kraft mehr hast“, erzählt Henke.

„Außerdem kommt es immer gut, wenn ein Dritter sich einmischt und ganz nebenbei das Sachliche klärt.“ Wie aber kommt sie selbst mit Anfeindungen zurecht, die immer wieder auftauchen? „Mit der Zeit bekommst du ein dickes Fell. Ohne das geht es nicht“, sagt sie, schulterzuckend.

Wer sich für Social Media entscheidet, ist also gut beraten, sich solide aufzustellen, sich zu vernetzen und auch ein paar strategische Entscheidungen im Vorfeld zu treffen. Persönlich angreifende Facebook-Kommentare beispielsweise, die direkt unter die Gürtellinie gehen, löscht Henke. Aber viele Anfeindungen, auch persönliche, lässt sie stehen: „Manch einer schießt sich einfach selbst ins Aus mit dem, was er da schreibt. Zumal dann, wenn es von anderen Feuer gibt.“ Dass sich der digitale Einsatz unter dem Strich lohnt, davon ist die Sauenhalterin, schon aus Gründen der Prophylaxe, überzeugt: „Mittlerweile hat unser Betrieb so viel mediale Reputation, da ist es kaum noch möglich, uns zu diskreditieren“, meint sie. „Als Tierhalter sind wir grundsätzlich angreifbar und können es uns einfach nicht leisten, keine Öffentlichkeitsarbeit zu machen.“ Außerdem, so betont sie, gebe es neben aller Kritik auch sehr viel positives Feedback. Wie viele Stunden sie in ihre Online-Arbeit investiert, weiß die dreifache Mutter nicht. „Ich erledige bei uns im Betrieb den Bürojob, da kann ich vieles nebenher erledigen.“

Neben den Social-Media-Kanälen nutzt Henke für sich die klassische Medienarbeit, führt Journalisten durch den Betrieb und öffnete auch schon einem NDR-Kamerateam die Türen. „Bislang hatten wir mit allen Glück“, sagt sie und erzählt begeistert von ihren Presseterminen. Überhaupt lädt sie gerne Gäste und Besuchergruppen ein, denn: „Analog ist immer noch schöner als digital.“ So viel Engagement fiel auch in der Branche auf: 2015 erhielt die „Medienaktivistin“ den Gerd-Sonnleitner-Preis der Landwirtschaftlichen Rentenbank und den Ceres Award, den der Landwirtschaftsverlag vergibt.

Aber eigentlich ist all dies nur ein Nebenschauplatz. Zuallererst ist Nadine Henke Tierhalterin und Tierärztin. Von Anfang an auf Schweine fokussiert, heuerte sie nach ihren Studienjahren in Hannover in einer Nutztierpraxis an. Das war 2004. Es dauerte nicht lang, da hatte sich die ehrgeizige Medizinerin zur geschäftsführenden Gesellschafterin gemausert, in Spitzenzeiten zählte ihr Team 18 Veterinäre. Mit ihrer zweiten Schwangerschaft jedoch hängte sie ihren Job an den Nagel und stieg 2014 in die heimische Sauenhaltung ein. Eine Übergangslösung? Henke wiegt den hellblonden Schopf: „Der Betrieb gehört meinem Mann. Ich bin im Job, ob als Tierhalterin oder Tierärztin, jedoch ungeheuer leistungsorientiert. Das ist als Paar nicht immer leicht.“ Zudem: Nutztierärzte sind gesucht und es locken immer wieder Angebote, in den alten Beruf zurückzukehren. In dem schätzt sie die Beratungsarbeit, auch Themen wie Management, Betriebs- und Personalführung liegen ihr. Worauf sie allerdings keine Lust mehr hat, ist Stillstand. „Wie oft habe ich Neues vorgeschlagen und dann von den Tierhaltern gehört: ‚Das geht nicht, das machen wir nicht‘“, erinnert sich die ehemalige Hoftierärztin. „Im eigenen Betrieb sah ich dann erst, was eigentlich alles geht. Nein, für beratungsresistente Landwirte ist mir meine Zeit einfach zu schade.“

Als Frau vom Fach steht sie aktuell also nur der heimischen Bestandsgesundheit zur Verfügung. Gemeinsam mit einem externen Schweinepraktiker arbeitet sie nach dem Vier-Augen-Prinzip. „Im eigenen Betrieb gewöhnt man sich zu schnell an etwas, das gilt auch für mich. Deshalb brauchen wir immer den Blick von außen.“ Trotzdem: Dass die Chefin Tierärztin ist, hat Spuren hinterlassen. So geht es beispielsweise für jeden Mitarbeiter und Besucher, der den Stall betritt, nicht nur zum Kleiderwechsel, sondern direkt unter die Dusche. Auch Henkes unterwerfen sich, um dem Eintrag von Erregern vorzubeugen, dem Diktat der Nasszelle. „Heinrich duscht heute sechs Mal“, rechnet die Unternehmerin vor, nachdem sie kurz den Tagesplan ihres Ehemannes über-dacht hat. Denn auch, wer intern zwischen Ferkel- und Sauenstall wechselt, muss stetig „raus- und reinduschen“.

Dem Rein-raus-Prinzip vertraut die Tierärztin auch in anderer Hinsicht: Dann, wenn sie ihre Ferkel an einen der vier lokalen Mäster abgibt, mit denen sie fest zusammenarbei-tet. „In Hinblick auf Tiergesundheit und Hygiene arbeiten wir stallweise“, erläutert sie. „Sind alle Schlachtschweine verkauft, liefern wir in den leeren, komplett gereinigten und desinfizierten Stall alle neuen Ferkel.“ Genau hierin sieht die Sauenhalterin, die bei ihrer Betriebsgröße auf einen Schwung auch mal 1.000 Tiere bereitstellen kann, ihren Wettbewerbsvorteil; auch gegenüber geschlossenen Systemen. „Deutsche Ferkel sind gefragt“, sagt sie selbstbewusst, „vier Mal D ist begehrt.“ Geboren, gemästet, geschlachtet und verarbeitet in Deutschland, so erklärt sie, sei nach wie vor das Qualitätskriterium schlechthin. Wie überzeugend es wirkt, durften Henkes soeben im kleinen Kreis erfahren: Bei einem der Mästertreffen, zu denen sie zweimal im Jahr einladen, entstand die Idee, gemeinsam am Markt aufzutreten. „Es war wirklich erstaunlich, wie sehr sich Schlachthöfe und Viehhandel dafür interessierten“, so die Bilanz. Heute liefern die vier Mastbetriebe, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegen, jede Woche –logistisch attraktiv – drei bis vier komplette Lkw-Züge. Am Ende des Tages rechnet sich das Ganze für alle Beteiligten, ganz besonders aber für die kooperierenden Tierhalter.

Freude im Job, die muss für Nadine Henke einfach sein. Die schokobraunen Duroc-Schweine, die sie zum reinen Vergnügen züchtet, gehören für sie dazu.

„Es muss doch irgendwie machbar sein, dass wir den Ferkeln die Schwänze lassen können.“

So ist es gar nicht mal der Markt, um den sich Henke sorgt,„es ist die politische Ungewissheit, die uns Sauenhalter mürbe macht.“ Ein Beispiel: das Schwanzbeißen. Seit zwei Jahren experimentiert sie bei ihrer Sauen-Nachzucht mit Langschwänzen. „Die Ergebnisse schwanken von super bis katastrophal. Wir brauchen einfach mehr Zeit“, appelliert sie und setzt händeringend nach: „Es muss doch irgendwie machbar sein, dass wir den Ferkeln die Schwänze lassen können.“ Vor allem die Nekrosen, die sich leicht an den Schwänzen bilden können, gelte es in den Griff zu bekommen. Dass höchstens fünf Prozent des Schwanzbeißens mit Langeweile einhergehen, davon ist sie mittlerweile überzeugt.

Bei all der Komplexität, die so viele landwirtschaftliche Themen mit sich bringen, ist es wichtig, mental bei Kräften zu bleiben. Da tut Abwechslung gut: Um ihre drei kleinen und allesamt semmelblonden Kinder – Tjorven, Theis und Nienke – kümmert sich das Paar gemeinsam. Sie morgens, er nachmittags. Wobei dann das Plattdeutsche herrscht.„Mein Mann liebt es, er spricht mit den Kindern nur platt.“ So verwundert es nicht, dass auch der Betriebsname „Brokser Sauen“ im Dialekt – und im Ortsnamen – wurzelt. Übersetzt heißt er „Bruchhausener Sauen“.

Eine andere Herzensangelegenheit ist schokobraun: Als das Paar 2015 nach Dänemark reiste, um in einem Zuchtbetrieb Edelschweine zu kaufen, verliebte sich Nadine Henke in die ebenfalls dort gehaltenen Duroc-Schweine. Seither laufen zehn schokobraune Vertreter daheim mit. „Vollkommen unproduktiv“, sagt die Unternehmerin, „aber so niedlich. Die tun uns allen richtig gut.“ Gerade die dunklen Ferkel haben es ihr angetan. So mästet sie die Durocs ausnahmsweise selbst, ein heimischer Metzger schlachtet die Tiere. Das fein marmorierte, aromatische Fleisch vertreiben Hofläden. Bei so viel Leidenschaft kann einem Henkes aktuellstes Liebhaberprojekt – ein Wurf Duroc-Iberico-Ferkel –gar nicht mehr spanisch vorkommen.

Quelle: “Zum Hofe” (2/2017) – Hier ansehen und herunterladen

Gastbeiträge und Reportagen, Interviews, Landwirtschaft

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