Skip to content

QS-Blog

Wissenswertes und Interessantes

QS-Blog

Resistenzproblematik bei Antibiotika: FAQ für Hoftierärzte

11. Juli 2018

Heiße Eisen anfassen

Wer „Antibiotika“ und „Nutztiere“ in einem Atemzug nennt, der weckt Diskussionsbedarf. Selbst der völlig legale, dem Tierschutz entsprechende Antibiotikaeinsatz löst Irritationen aus. Verbraucher, Medienvertreter als auch Landwirte sind verunsichert, sie ängstigen sich vor antibiotikaresistenten Bakterien, die Menschen schwer erkranken lassen. Aufklärung ist gefragt. Deshalb hat „Zum Hofe“ die kritischen Verbraucherfragen gesammelt. Gemeinsam mit Heiko Färber, Geschäftsführer des Bundesverbands Praktizierender Tierärzte (bpt), entstanden FAQs, die Hoftierärzten hilfreich sein können.

FAQ: Warum werden Reserveantibiotika (kritische Antibiotika) überhaupt in der Tiermedizin eingesetzt?
Nach dem deutschen Arzneimittelgesetz gilt: Kranke Tiere müssen behandelt werden, bei einem entsprechenden bakteriellen Infekt auch mit einem Reserveantibiotikum. Das gilt für einzelne Tiere ebenso wie für eine ganze Herde. Tierschutz ist ein hohes Gut in Deutschland. Der Tierarztberuf ist ein Heilberuf, geschützt durch die Heilberufsgesetze. „Er benötigt, um seinem staatlichen Auftrag gerecht zu werden, die notwendigen Instrumente und darf sich nicht vom wissenschaftlichen Fortschritt entkoppeln“, unterstreicht Heiko Färber. In der Humanmedizin würden heute schon wesentlich modernere Wirkstoffe eingesetzt als in der Tiermedizin.

FAQ: Was unternimmt die Nutztierhaltung, um die Wirksamkeit von Antibiotika möglichst lang zu erhalten?
„Die meisten resistenten Keime stammen nachweislich aus der Humanmedizin“, so Färber. Mangelnde Krankenhaushygiene, Unterdosierung oder das zu frühzeitige, oft durch den Patienten eigenmächtig vorgenommene Absetzen eines Antibiotikums gelten als wesentliche Ursachen. In seltenen Fällen infizieren sich Menschen, die etwa in der Landwirtschaft arbeiten, mit MRSA. Diese Keime werden von Tieren übertragen. „Des-halb muss auch jeder Tierarzt verantwortungsvoll mit Antibiotika umgehen und nachdrücklich auf eine mögliche Resistenzentwicklung, die in Folge zu kurzer oder zu niedrig dosierter Anwendung entsteht, hinweisen.“ Durch ihr anspruchsvolles Studium sind Veterinäre qualifiziert, Arzneimittel richtig anzuwenden, Tiere zu heilen und, im Falle von Nutztieren, den Verbleib von Medikamentenrückständen in Lebensmitteln zu verhindern. Umfangreiche Gesetze und Normen schützen deutsche Verbraucher heute schon vor Risiken aus Lebensmitteln und vor Zoonosen, also Krankheiten, die vom Tier auf den Mensch übertragbar sind. Dazu kommen Qualitätssicherungssysteme der Wirtschaft wie QS.

Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken

FAQ: Warum können wir Reserveantibiotika in Ställen nicht einfach verbieten?
Weil das nicht so einfach ist. Neben den schon genannten rechtlichen und tierethischen Rahmenbedingungen spricht beispielsweise die biologische Resistenzentwicklung dagegen: Würden wir beispielsweise die betreffenden Wirkstoffe in der Tiermedizin verbieten, müsste sich die Therapie auf wenige, dann noch vorhandene Substanzen konzentrieren, was wiederum die Resistenzsituation unweigerlich verschärfen würde. Nutztierhalter, die häufiger Präparate mit kritischen Wirkstoffen einsetzen, erhalten übrigens regelmäßig Rückmeldung aus dem QS-Antibiotikamonitoring: Ein betriebsindividueller Therapieindex hält den jeweiligen Verbrauch von Reserveantibiotika fest.

FAQ: Was unterscheidet ein Reserveantibiotikum überhaupt von anderen?
Auch wenn die politische Diskussion um Reserveantibiotika alles an-dere als neu ist, legte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erst im letzten Jahr eine Liste vor, in der sie die kritischen Wirkstoffe präzise definiert. Dazu teilt sie sämtliche Substanzen in drei Klassen ein, in die höchste Kategorie (Reserve) fallen die Reserveantibiotika. Sie gelten in der Humanmedizin als „last resort options“ für lebensbedrohliche bakterielle Infektionen, bei denen sich Standardpräparate als unwirksam erwiesen haben. „Die WHO-Liste gilt nur für die Humanmedizin. Parallel zu ihr wird im Rahmen der Novelle des EU-Tierarzneimittelrechts über die Kategorisierung von Wirkstoffen diskutiert“, erklärt Färber. „Aus meiner Sicht zeichnet sich ab, dass bestehende Zulassungen wohl nicht angetastet werden, es besteht das rechtsstaatliche Prinzip des Eigentumsschutz. Allerdings könnte künftig im Rahmen des Zulassungsverfahrens seitens der Europäischen Medizinagentur eine wissenschaftliche Bewertung auf Grundlage der konkreten Resistenzsituation erfolgen.“

FAQ: Wie wird der Einsatz von Reserveantibiotika in der deutschen Tiermedizin zukünftig geregelt sein?
Im Februar verabschiedete der deutsche Bundesrat die neue „Tierärztliche Hausapothekenverordnung“ (TÄHAV). Die tiermedizinisch relevanten Reserveantibiotika werden nun einem Umwidmungsverbot (keinem Anwendungsverbot) un-terliegen, sie dürfen also nur noch nach Packungsbeilage verabreicht werden. Zudem ist vor der Abgabe ein Antibiogramm anzufertigen, um den Erreger festzustellen. „Seitens der Tierärzteschaft sehen wir dies positiv, aber auch kritisch: Denn zum einen kann ein Antibiogramm nicht alle Erreger nachweisen, zum anderen führen Antibiogramme oft zu unterschiedlichen Aussagen“, erklärt Färber. Den finanziellen Mehraufwand für die neu geforderten Antibiogramme beziffert der bpt auf 30 bis 40 Millionen Euro, sie sind von den Tierhaltern zu leisten. „Wobei ein Antibiogramm nur ein Parameter innerhalb der Diagnoseerstellung ist. Es ist nicht die Diagnose! Die macht immer noch der Tierarzt.“ Kopfzerbrechen bereitet Färber auch der vermehrte Dokumentationsaufwand, der mit der neuen TÄHAV auf die Tierärzte zukommt: „Der Einsatz kritischer Wirkstoffe wird zukünftig zwar nicht eingeschränkt, aber deutlich komplizierter. Verbunden mit einer Rechtsunsicherheit für die Tierärzte.“ So sollen sie, beispielsweise, die Anzahl der Wirktage eines Präparats angeben, besitzen dafür aber keine sachliche Grundlage seitens Pharmaindustrie, Bund oder Ländern (gilt für alle Antibiotika).

FAQ: Wie viel Antibiotika verbrauchen andere Länder? Wie gehen sie mit der Resistenzproblematik um?
„Der Einsatz von Antibiotika explodiert international“, erklärt Färber geradeheraus; auch kritische Wirkstoffe seien davon nicht ausgenommen. „Schätzungen gehen von einem zu-künftigen Jahresverbrauch von 160.000 bis 240.000 Tonnen weltweit aus.“ Zum Vergleich: 742 Tonnen wurden in Deutschland im Jahr 2016 an sämtliche Nutz- und Heimtiere abgegeben (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, DIMDI-Zahlen). Der größte Antibiotikaver-braucher der Welt ist China, gefolgt von den USA, Brasilien und Indien. „Resistenzen sind ein globales Problem. Die Lösung liegt deshalb nicht in Deutschland und der EU –unser Tun ist letztlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein –, sondern in Asien und Südamerika“, so Färber, der angesichts unserer heutigen globalisierten Märkte ergänzt:„Wer Fleisch importiert, der importiert auch das Risiko re-sistenter Bakterien.“ Diese können laut Bundesinstitut für Risikobewertung von Lebensmitteln auf den Menschen über-gehen. Selbst ein vergleichsweise fortschrittliches Land wie die USA besitzt nach wie vor frei verkäufliche Antibiotika und setzt noch immer einzelne Wirkstoffe als Wachstumsförderer in der Nutztierhaltung ein. In Deutschland ist dies seit über zehn Jahren verboten.

Quelle: Zum Hofe, Magazin für Tierärzte (1/2018)

Aus dem QS-System, QS-Wissen

Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

CAPTCHA
Refresh

*

QS Qualität und Sicherheit GmbH

Idealist by NewMediaThemes