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Mikrobiologie: Expertentipps zur Reinigung und Desinfektion

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26. September 2012
Regina Zschaler
Expertin für Mikrobiologie: Regina Zschaler
(Foto: privat)

Hygiene ist eine der wichtigsten Säulen der Lebensmittelsicherheit. Daher hat QS seit Beginn des Jahres  im Leitfaden Bearbeitung die relevanten Anforderungen zur Vermeidung von mikrobiologischen Risiken während des Bearbeitungsprozesses von Obst und Gemüse definiert. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Sicherstellung der Betriebshygiene ein.

Regina Zschaler (s. Foto) ist Expertin auf dem Gebiet der Mikrobiologie und hat die DVD “Hygieneschulung im Betrieb” veröffentlicht. Hier im Blog gibt sie Tipps und Hinweise für die Praxis. Nachfolgend ihr Beitrag:

Eine fachgerechte Reinigung und Desinfektion der Räume, Anlagen und Geräte ist Grundvoraussetzung für die Einhaltung von mikrobiologischen Vorgaben. Ziel ist es, mikrobiologische Kontaminationen zu vermeiden. Die eingesetzten Mittel müssen dabei einerseits wirksam sein, andererseits sollen Sie sich von den Oberflächen wieder leicht entfernen lassen.  Reste der Reinigungs- und Desinfektionsmitteln verunreinigen ansonsten die Lebensmittel während des Produktionsprozesses. Auch auf die Qualität des Reinigungswassers ist zu achten.  Ein durchdachter Reinigungs- und Desinfektionsplan ist deshalb für die Lebensmittelindustrie von großer Bedeutung.

Reinigung und Desinfektion sind zwei unterschiedliche Vorgänge.

Die Reinigung und Desinfektion von Oberflächen von Räumen, Vorrichtungen und Geräten in Betriebsstätten des Lebensmittelbereiches regelt die DIN 10516, sie unterscheidet beide Begriffe wie folgt:

Reinigung: Entfernung von Verschmutzungen (= jede unerwünschte Substanz, einschließlich Produktresten, Mikroorganismen sowie Reinigungs- und Desinfektionsmittelrückstände)

Desinfektion: Chemische und physikalische Verfahren zur Abtötung von Mikroorganismen auf ein Niveau, das weder gesundheitsschädlich ist noch die Qualität der Lebensmittel beeinträchtigt.

Reinigung und Desinfektion im Ablaufschema
Reinigung und Desinfektion im Ablaufschema
(Quelle: QS)

Schmutzbeläge reduzieren die Erreichbarkeit der Keime durch die Desinfektionsmittel. Eine gründliche Vorreinigung zur Entfernung von großen Schmutzpartikeln (durch Nass- oder Trockenreinigung) ist deshalb die Voraussetzung für die nachfolgende Desinfektion. Diesem Schritt muss dann das Nachspülen folgen, damit keine Reinigungs- und Desinfektionsmittelreste auf den Anlagen zurückbleiben. Das Nachspülen erfolgt mit Wasser von Trinkwasserqualität und darf nur bei Einsatz von Alkohol als Desinfektionsmittel unterlassen werden. Auch zwischen dem Reinigungsschritt und dem nachfolgenden Desinfektionsmittelschritt wird optimaler Weise eine Zwischenspülung mit Trinkwasser vorgenommen, wodurch der Reinigungswirkstoff aus den Anlagen entfernt wird (Vermeiden von Kreuzkontamination).

Während des gesamten Prozesses muss die Dosierung der verwendeten Mittel stimmen. Grundsätzlich gilt für die Dosierung: “So wenig wie möglich, so viel wie nötig“.

Neben der Wahl des geeigneten Reinigungs- und Desinfektionsverfahren entscheidet auch die richtige Auswahl der eingesetzten Mittel über den Erfolg. Bei den hauptsächlich eingesetzten Reinigungsmitteln handelt es sich um Ätzalkalien wie Natriumhydroxid, anorganische Säure wie Salpetersäure oder Phosphorsäure, organische Säuren wie Citronensäure oder Essigsäure, Tenside, Aktivchlorträger oder Enzyme, wie Proteasen oder Amylasen.

Bei den Desinfektionswirkstoffen sind zu nennen: Alkohole, Aktivchlor, Aldehyde, quarternäre Ammoniumverbindungen, Peressigsäure, Wasserstoffperoxid. Alle Desinfektionsmittel aus der DGHM-Liste bzw. DVG-Liste sind in Laborversuchen eingehend auf ihre Wirksamkeit geprüft worden. Die in den Listen angegebenen Konzentrationen garantieren eine Abtötung von 5 log Stufen (d. h. 99,999% der Keime werden entfernt). Das gilt sowohl für Händedesinfektionsmittel, aber auch für Flächendesinfektionsmittel. Eine Überdosis führt nicht zu einer besseren Wirkung, sondern kann zu Materialschädigung führen, eine Unterdosierung zur Selektion von resistenten Mikroorganismen. Dabei ist die richtige Dosierung nur ein entscheidender Faktor. Es nehmen noch viele weitere Faktoren Einfluss auf die Wirkungsweise von Desinfektionsmitteln, deshalb ist eine gute Sachkenntnis unbedingt erforderlich.

Die komplexen Zusammenhänge werden anhand von  Beispielen deutlich:

  • Aktivchlor, darf nur bis zu einer Temperatur von 40°C verwendet werden, da sonst Lochkorrosion entsteht. Des Weiteren muss eine Anlage gut vorgereinigt werden, da Chlor einen hohen Eiweißfehler hat, d.h. die Wirkung lässt bei Anwesenheit von Eiweiß stark nach.
  •  Bei Einsatz von Peressigsäure ist zu berücksichtigen, dass sie stark ätzend wirkt und somit bei manuellen Handhabungen nicht verwendet werden kann.
  •  Die quartären Ammoniumverbindungen (QAV) haben zwar eine geringe Toxizität und sind materialverträglich, haben jedoch einen Kältefehler (= bei niedrigen Temperaturen werden höhere Konzentrationen notwendig) und einen Eiweißfehler (= die Anwesenheit von Eiweißen verminderte die Wirksamkeit von chemischen Desinfektionsmitteln). Außerdem kamen sie jüngst in die Schlagzeilen, weil einige Wirkstoffe (DDAC, BAC) aus der Gruppe auch in Pflanzenschutzmitteln verwendet werden und somit der EU Verordnung 396/2005 (Rückstandshöchstgehalt Verordnung) unterliegen.

Betrachtet man die Verarbeitung von Obst und Gemüse, so kann davon ausgegangen werden, dass bei sachgerechter Reinigung ein Großteil der Mikroorganismen bereits in den Reinigungsphasen mechanisch entfernt wird. Bei vielen Prozessen werden Keimreduktionen von 3 log10 – 4 log10 (d. h. 99,9 – 99,99% der Keime werden entfernt) erhalten, so dass eine nachfolgende Desinfektion nicht notwendig ist, z.B. bei Kisten. Bei empfindlichen Lebensmitteln, wie Fresh-Cut-Produkten ist eine nachfolgende Desinfektion notwendig. Diese sichert die Einhaltung der mikrobiologischen Normen und gewährleistet die Mindesthaltbarkeit der Produkte.

Hinweise zu den verwendeten Abkürzungen:

DGHM-Liste: Desinfektionsmittel-Liste der Deutschen Gesellschaft für Mikrobiologie und Hygiene e. V.  Sie wird seit dem 01.01.2006 von der Desinfektionsmittel-Kommission  des Verbunds für angewandte Hygiene e. V. (VAH) herausgegeben.

DVG-Liste: Liste der, nach den Richtlinien der DVG (Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft), geprüften und als wirksam befundenen Desinfektionsmittel und Händedesinfektionsmittel für den Lebensmittelbereich.

BAC (Benzalkoniumchloride) und DDAC (Didecyldimethylammoniumchloride) gehören zu den quartären Ammoniumverbindungen und sind Bestandteil von Desinfektionsmitteln.

Tipps für die Praxis Expertentipps, Hygiene, Reinigung

10 comments on “Mikrobiologie: Expertentipps zur Reinigung und Desinfektion”

  1. Reinigung-Desinfekion sagt:
    13. Januar 2013 um 16:27 Uhr

    Erstmal Kopliment, Super Informationen und leicht verständlich geschrieben. Wir sind ein Online-Shop für Desinfektionsmittel und Reinigungsbedarf und wissen daher dass viele Kunden garnicht verstehen wie richtig gereinigt und desinfiziert werden sollte. Ich kann nur jedem diese Seite empfehlen damit die Menschen etwas mehr vom Thema Reinigung und Desinfektion verstehen.

    Antworten
  2. Desinfektionsmittel sagt:
    23. Februar 2013 um 20:58 Uhr

    Danke für die hilfreichen Worte. Wir erleben tagtäglich den absuluten Wahnsinn, wenn Kunden bei uns Desinfektionsmittel kaufen wollen und nicht wissen wie sie diese anwenden sollen.

    Antworten
  3. BPB Reinigungsberatung sagt:
    9. Oktober 2013 um 14:01 Uhr

    Hallo Sonja,

    danke für Deinen informativen Beitrag. Viele wissen gar nicht, dass Reinigung und Desinfektion zwei verschiedene Arten sind. Und gerade im mikrobiologischem Bereich oder in der Lebensmittelbranche sind beide Arten wichtig.

    Antworten
  4. Händedesinfektionsmittel sagt:
    16. Februar 2014 um 21:35 Uhr

    Man mag es nicht für möglich halten, aber der Aufklärungsbedarf ist enorm, selbst in Fachkreisen. Deshalb senden wir neuerdings bei Neukunden immer eine kleine Infobroschüre für die richtige Anwendung mit.

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  5. Hygieneschulung sagt:
    8. Mai 2014 um 12:40 Uhr

    Hallo zusammen,
    ich bin hier gerade über den Beitrag gestolpert und muss Ihnen beipflichten. Ein gelungener Beitrag! Das Grundverständnis von Hygiene ist in vielen Betrieben nicht vorhanden. Der Schulungsbedarf ist in diesem Bereich echt Enorm!

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  6. MarS sagt:
    2. August 2016 um 10:44 Uhr

    Ich arbeite für einen Betrieb, der lebensmittelverarbeitende Maschinen erzeugt. Es ist tatsächlich sehr auffällig, dass vor Allem Kleinbetriebe mit wenig Vorahnung zu Reinigung und Desinfektion an den Markt gehen. Das Risiko tragen leider primär die Konsumenten.

    Auch wenn man Texte scheut… Wer Lebensmittel erzeugen und vertreiben will, sollte sich die Inhalte der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 zu Gemüte führen. Diese hat Gesetzescharakter und schreibt auch vor, dass Reinigungspersonal mit entsprechend nachweislicher Ausbildung gefordert ist. Sie beschreibt aber auch nur die Hintergründe, die Fachausbildung bzw. das “Wissen Wie” ersetzt sie nicht.

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  7. RSchlemmbach sagt:
    7. September 2016 um 18:26 Uhr

    Unsere Kunden sind auch so oft so unaufgeklärt. Wir planen mittlerweile auch etwas Zeit mit ein, damit die Kunden auch verstehen, was wir eigentlich machen. Und diese Infobrochüren sind auch sehr wichtig. So verstehen auch Leute, die bei der Besprechung nicht dabei waren, was gemacht werden muss.

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  8. Dominik sagt:
    17. September 2016 um 12:26 Uhr

    Wirklich interessanter Beitrag zu dem Thema. Ich glaube viele verwechseln die Reinigung mit der Desinfektion. Dies wurde aber hier gut verständlich erklärt.
    Viele Grüße
    Dominik

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  9. Mailin Dautel sagt:
    12. März 2019 um 12:01 Uhr

    Hygiene und Sauberkeit sind elementar in der Lebensmittelherstellung. Die Vorschriften in diesem Bereich der Industrie sind sehr streng, sollten aber noch strenger überwacht werden. Viele denken, es sei getan mit Desinfektion aber das tiefe reinigen ist besonders wichtig.

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  10. Joachim Hussing sagt:
    5. Mai 2020 um 18:16 Uhr

    Danke, dass Sie erklärt haben, wie die Desinfektion einen chemischen und physikalischen Prozess zur Abtötung von Mikroorganismen einsetzt, der nicht gesundheitsschädlich ist. Mein Bruder plant, ein Restaurant zu eröffnen, und er wird in der Lage sein müssen, das Restaurant zu reinigen, wenn er damit beginnt. Ich werde ihn wissen lassen, dass er eine Reinigungsfirma finden kann, die sein Geschäft desinfizieren kann.

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